Was versteht man in der Physik unter „Impuls“?

Wenn man einen Begriff definieren will, muss man sich auf andere (als bekannt angesehene) Begriffe beziehen. Ausgangspunkt im Begriffsschema der Naturwissenschaften sind Grundbegriffe. Sie können nicht auf andere Begriffe zurückgeführt werden. Ihre Bedeutung erschließt sich durch Analogien, die der Orientierung dienen können. Im strengen Sinn werden Grundbegriffe durch Axiome charakterisiert.

Bei der Wahl der Grundbegriffe gibt es Freiheiten.

Wie im KPK wird hier  Impuls als Grundbegriff gesehen.

Da es sich dabei um eine eher unübliche Vorgehensweise handelt, werden ein paar Erläuterungen vorangestellt.

Es ist üblich p = m⋅v als Definition für den Impuls anzusehen. Dass setzt voraus, m und v als gegeben (bekannt, definiert) anzusehen.

Dass das nicht ganz unproblematisch ist, erkennt man, wenn man zum Vergleich die Kondensatorgleichung

Q = C⋅U betrachtet.

Hier handelt es sich um einem empirische gefundenen Zusammenhang zwischen Q und U und definiert die Kapazität C des Kondensators.

Die elektrische Ladung gilt dabei als Grundgröße, die nicht auf andere Größen zurückgeführt wird.

Zur experimentellen Bestimmung von Q verwendet man in der Regel das Integral von dQ = I(t)⋅dt, wobei  I(t) die elektrische Stromstärke bedeutet.

p = m⋅v und Q = C⋅U haben mathematisch dieselbe Struktur.  (Feynman)

Die Struktur erzwingt nicht die physikalische Bedeutung!

Es ist auch nicht verboten für p = m⋅v die zu Q = C⋅U analoge Interpretation zu verwenden:

Dann ist p die Grundgröße und m die Impulskapazität. Um p zu bestimmen, kann das Integral von

dp = F(t)⋅dt verwendet werden. F(t) bedeutet dann die Impulsstromstärke (= Kraft).

p und Q sind beide mengenartig und beide sind Erhaltungsgrößen!

Ja, p ist ein Vektor und Q eine Skalar! Die Analogie gilt für jede der drei Komponenten des Impulses. Bei Bewegungen auf einer Geraden gibt es bei geeigneter Wahl des Koordinatensystems nur eine von Null verschiedene Komponente des Impulses und es reicht, wie bei Q positive und negative Werte zu betrachten.

Nun ist dW = U⋅dQ und U kann als Größe interpretiert werden, die angibt, wie stark die Elektrizitätsmenge mit Energie „beladen“ ist. Die Analogie lautet dW = v⋅dp, was sich aus dW = F⋅ds mit F = dp/dt  ergibt. v kann also in Analogie zur Elektrizitätslehre als Beladungsmaß des Impulses mit Energie angesehen werden. Das mag ungewohnt erscheinen.

Zwei Bemerkungen sollen die Bedeutung dieser Formel untermauern:

   1. v = dW/dp = (F⋅ds)/(F⋅dt) = ds/dt.

   2. Integriert ergibt dW = v⋅dp mit  v= p/m die klassische (!) kinetische Energie W = p2/2m.

Dabei wird m als konstant vorausgesetzt. Im elektrischen  Fall hat man entsprechend W=Q2/2C.


In der (speziellen) Relativitätstheorie ist das nicht mehr der Fall, da ist m von v abhängig.

Wenn man die Funktion  m(v) kennt, kennt man auch p(v) = m(v)⋅v und v = v(p). Dann integriert man

dW = v(p)⋅dp und erhält die relativistische kinetische Energie (s. Link E = mc2).